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ALLEIN UNTER MÄNNERN

Luna Wollny ist die erste und einzige Auszubildende im technischen Bereich bei der Holzgerlinger Firma Elektro Breitling

Auch heute noch sind junge Frauen in technischen Berufen absolute Mangelware. Eine Ausnahme stellt da Luna Wollny aus Holzgerlingen dar. Im September hat sie bei Elektro Breitling ihre Ausbildung zur Elektronikerin begonnen – und ist damit die erste technische Azubine der Betriebsgeschichte.

HOLZGERLINGEN. Lichtschalter drücken, Lampe leuchtet. Ein simples Prinzip, hinter dem eine nicht ganz so simple Technik steckt. Denn bevor dem Otto-Normal-Verbraucher ein Licht aufgeht, müssen zunächst die grünen, gelben und blauen Kabel innerhalb des Schalters an der richtigen Stelle sitzen und korrekt verdrahtet sein. Wie das genau geht, lernen derzeit die neuen Auszubildenden bei Elektro Breitling. Eine davon ist Luna Wollny. In dreieinhalb Jahren darf sie sich – nach bestandener Prüfung – Elektronikerin mit Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik nennen. Und begibt sich somit bei ihrer Berufswahl in eine absolute Männerdomäne. Laut einer statistischen Erhebung der Arbeitsagentur fällt der deutschlandweite Frauenanteil in den so genannten MINT-Berufen, also den Jobs mit Schwerpunkten in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, auch 2019 verschwindend gering aus. Gerade einmal 29,3 Prozent beträgt die Frauenquote unter den Studierenden in diesem Bereich, noch düsterer sieht es bei den dualen Ausbildungsberufen aus: Hier liegt der Frauenanteil bei 11,4 Prozent.

Warum entscheiden sich so wenig junge Frauen für die MINT-Berufe?

Aber wieso entscheiden sich in einer angeblich gleichberechtigten Gesellschaft immer noch so wenig Frauen für technische Ausbildungsberufe? Neben dem grundsätzlich zunehmenden Wunsch junger Menschen nach einer akademischen Berufslaufbahn vermutet Luna Wollny vor allem zwei Hauptursachen. Zum einen, meint die 17-Jährige, trüge die heutige Elterngeneration dazu bei: „Gerade bei Mädchen mischen sich Eltern häufig zu stark in die Berufswahl ein und sind der Ansicht, dass ein handwerklicher Beruf zu dreckig oder zu schwierig für sie ist.“ Eine Beobachtung, die Christoph Kolz, der gemeinsam mit Ralf Englert die technischen Auszubildenden bei Elektro Breitling betreut, bestätigen kann: „Viele Eltern verbinden unseren Beruf mit der Arbeit auf dem Rohbau und denken, da ist es schmutzig, da ist es kalt, da gibt es nur Dixieklos, also ist das nix für das Mädle.“ Ein Vorurteil, meint Luna Wollny: „Es ist ja nicht so, als wäre man nur auf Baustellen unterwegs – für die es im Übrigen ja Arbeitskleidung gibt. Viel passiert auch drinnen, beispielsweise bei der Kundenberatung. Der Beruf ist total vielfältig, jeder Tag ist anders.“ So gehören laut Kolz unter anderem auch die Gebäudeautomation, die Kommunikationstechnik und sogar die Designberatung dazu – beispielsweise, wenn es um die Suche nach passenden Schaltern zur Wohnungseinrichtung oder um die Wahl der richtigen Beleuchtung geht. Eine zweite Hauptursache sieht Luna Wollny in der persönlichen Unsicherheit vieler ihrer Geschlechtsgenossinnen. „Ich denke, dass viele Mädchen Angst haben, etwas falsch zu machen oder zu wenig technisches Verständnis zu haben. Aber da sollten die Mädels etwas mutiger sein und sich für das, was sie mögen, eben auch mal durchkämpfen.“

Dass es viele junge Frauen gibt, die sich für technische Themen interessieren, davon ist Luna Wollny überzeugt. Den Weg in diese Berufssparte finden sie aber zumeist trotzdem nicht – auch deshalb, weil es an Vorreiterinnen fehlt. Denn auch die aktuell geringe Frauenquote, so meinen Luna Wollny und ihre Ausbildungsleiter, ist selbst wiederum eine Hemmschwelle. Ein Teufelskreis, der erfahrungsgemäß nur schwer zu durchbrechen ist. „Tatsächlich hatten wir einer weiteren jungen Frau eine Zusage erteilt, sie ist aber abgesprungen, weil sie dachte, sie wäre die einzige“, erzählt Ralf Englert. Die Folge: Luna Wollny steht allein ihre Frau unter den 15 technischen Azubis, die im September ihre Lehre begonnen haben. „Am Anfang war das schon komisch, aber jetzt hab’ ich da kein Problem mehr mit“, sagt sie. Trotzdem hätte sie sich die eine oder andere Kollegin mehr schon gewünscht. Ebenso wie ihre beiden Ausbildungsleiter: Die Hoffnung, die Frauenquote im Betrieb zu erhöhen, geben Kolz und Englert nicht auf – und wollen bei der Damen-Akquise künftig auch auf Luna Wollny setzen. Weil sich heutzutage immer weniger Schulabgänger für eine duale Ausbildung entscheiden, geht Elektro Breitling bei der Nachwuchsgewinnung bereits seit einigen Jahren erfolgreich in die Offensive. Dazu gehört auch aktive Eigenwerbung. Bei dem Projekt „Ausbildungsbotschafter“ beispielsweise besuchen aktuelle Azubis Schulklassen und klären über ihren jeweiligen Job auf. „Da wäre Luna im nächsten Jahr eine hervorragende Kandidatin, um zu zeigen, dass auch Mädchen in technischen Berufen zu Hause sein können“, verrät Englert.

Unterschiedliche Praktika helfen bei der Berufswahl

Eine weitere Idee, wie man mehr Mädchen für diesen Berufszweig begeistern könnte, hat auch Luna Wollny selbst: „Ich selbst bin über ein Schulpraktikum zu meinem jetzigen Arbeitgeber gekommen. Das war super, denn da lernst du den Beruf richtig kennen. Ich habe zum Beispiel gesehen, dass man als Elektronikerin eben nicht einfach nur Steckdosen setzt.“ Deswegen, meint die Holzgerlingerin, sollten Schulen mehr Möglichkeiten für unterschiedliche Praktika anbieten. „Und es wäre natürlich super, wenn die Schulen dann darauf achten, dass Mädchen sich nicht nur im sozialen Bereich umschauen, wie es meine Klassenkameradinnen meistens gemacht haben – selbst wenn sie technisch interessiert waren.“ Ihr Appell an ihre Geschlechtsgenossinnen: „Habt keine Angst und schaut euch alles an, was euch interessiert.“ Denn vielleicht entdecken die jungen Damen dann, dass das knifflige Verdrahten von bunten Drähten oder das Installieren von Lichtschaltern ihnen genauso viel Spaß macht wie Elektro Breitlings Vorzeige-Azubine Luna Wollny.

Text: KREISZEITUNG Böblinger Bote / Sandra Schumacher
Bild: KREISZEITUNG Böblinger Bote / Stefanie Schlecht